Samstag, 16. Mai 2020

Zum 1. Mai: Grußbotschaften von politischen Gefangenen

Wir veröffentlichen zwei Grußbotschaften von Gefangenen, die auf der Demo leider nicht gehalten werden konnten: 


Der 1. Mai – eine Gefangenen Perspektive

In jedem Moment unseres Lebens stehen wir vor der Wahl. Entweder solidarisch leben oder unsolidarisch! Entweder auf eine lebendige Zukunft hin oder rückwärtsgewandt!

Entweder mutig unsere eigenen Wege suchend oder anderen auf den ausgetretenden Pfaden nachlaufend.

Das gilt für Menschen in Gefangenschaft, genauso wie für alle anderen. Und in den heutigen Zeiten von Corona und unzähligen staatlichen Maßnahmen stellt sich die Wahl: Entweder für Befreiung oder für das Kapital. Die Wirtschaft soll florieren, aber wer in München auf einer Parkbank ein Buch liest, der wird von der Polizei abgeführt. Der Konsum soll wieder angekurbelt werden, aber wer auf der Straße demonstrieren will, dem droht die umgehende Einknastung, in Sachsen vielleicht die Unterbringung in der Psychiatrie, wo nämlich einige Zellen freigeräumt wurden, für besonders hartnäckige Maßnahmen-Verweigerer*innen.

All das erleben in dieser und ähnlicher Form gefangene Menschen schon seit es Knäste gibt. Die staatliche Institution regelt den Bewegungsradius ebenso, wer wie mit wem wann und wo in Kontakt treten darf. Und reagiert mit strengen Konsequenzen bei Regelverletzungen.

Entweder – oder !

Thomas Meyer-Falk, z.zt. JVA (SV)

Hermann-Herder-Straße 8

79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

http://www.freedom-for-thomas.de

Anmerkung: Thomas befindet sich seit 1996 im Knast und seit 2013 in Sicherungsverwahrung 




Aufruf zum 1.Mai von Rainer Loehnert

Als Anarchist und körperlich Behinderter, verursacht durch einen Arbeitsunfall, frage ich mich was ich von Arbeit halte. Wenn niemand arbeiten würde, gäbe es nichts zu essen. Deswegen halte ich auch als Anarchist die schwarze Fahne zum 1.Mai hoch.
Ich bin inzwischen schon 58 Jahre alt und habe deswegen noch die 1.Mai-Demos in Ost-Berlin mit Honecker mitgekommen. Dort wurden auch Porträts von Luxemburg und Lenin gezeigt. In Moskau und Warschau gab es ähnliche Paraden.
Für drinnen, sei im Knast oder in Forensik, ist es gut, wenn Menschen zum 1.Mai auf die Straße gehen. Mögen diese Aktivitäten so stark sein, dass alle Mauern fallen.
Als Anarchist gebe ich mich nicht mit Reformen zufrieden. Deshalb bin ich auch gegen Knäste und Staat.
Solidarität mit mit den §129b-Gefangenen, die noch in den Knästen eingesperrt sind.
Vor allem kein Fußbreit den Faschisten der AFD, die sich am 1.Mai auch zeigen werden.
Treibt diese Ratten in ihre Löcher zurück!
Nazis raus!
Genossen und Genossinnen eignet euch eure Kieze an und schafft Freiräume für Experimente, sei es in der Rigaer Straße oder der Roten Flora!
Hoch die internationale Solidarität!
Heraus zum 1.Mai!
Mit anarchistischen Grüßen
Rainer Loehnert
Haus 1, Station F1/2
Südlicher Rundweg 20A
47551 Bedburg-Hau

Anmerkung: Rainer befindet sich seit 34 Jahren in der Forensik